Viele nennen es „Höflichkeit“, wenn Trainingspartner Tier beim Anblick von Futter oder Futterbeutel ruhig und gelassen bleibt. Doch wenn wir mal ehrlich sind, greift diese Bezeichnung zumindest für das Training mit Ponys und Pferden zu kurz – oder sie ist stark verharmlosend. Denn am Ende sprechen wir beim Thema Höflichkeit im Tiertraining über positive Verstärkung nicht über gutes Benehmen a la Knigge, sondern zuallererst über Sicherheit.
Egal nach welcher Lehre gearbeitet wird, immer steht die Sicherheit an erster Stelle. Beim Reiten ist ein Helm zu tragen, am besten noch eine Sicherheitsweste. Absolviert man den Pferdeführerschein lernt man alle Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit dem Pferd kennen. Das fängt an beim Aufhalftern, Hufe ausräumen und dem Verladen. Es betrifft aber auch solche im Stallalltag üblichen Dinge wie das Hängenlassen von Halftern an Anbindebalken, die für manch Pferd zur Stolperfalle werden können. Immer ist der Fokus auf die Sicherheit von Mensch und Tier gerichtet. Was manchmal schon überzogen wirkt, wird im Training mit positiver Verstärkung oft verharmlost.
Höflichkeit, Ellenbogenschoner!
(Manfred Hinrich, Zitat https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=H%C3%B6flichkeit&seite=4)
Allein der Begriff „Höflichkeit“ verleitet oft dazu, diesen elementar wichtigsten Trainingsschritt zu verharmlosen. Höflichkeit – das ist für viele bereits mit einem freundlichen „Hallo“ beim Betreten der Stallgasse erledigt. Der Begriff ist an sich schon Auslegungssache. Denn höflich ist ja auch manchmal krampfig und viele sprechen lieber Tacheles oder packen an, als die feine Etiquette zu beachten. Futterhöflichkeit ist aber nicht „nice to have“ oder übertriebenes Knigge-Regelwerk: Es ist ein sehr großer Sicherheitsfaktor, denn das Futter kann bei einigen Pferden Stress auslösen. Schon die bloße Anwesenheit von Futter lässt das sonst sehr gelassene Pony zu einem Untersuchungskommando mutieren. Meist geschieht das mit den Lippen an Jacken oder Futtertaschen, im schlimmsten Fall untersucht es auch gerne mal etwas gröber mit den Zähnen oder schlägt einem sämtliche Extremitäten vor und gegen den Körper.
Das ABC-Sicherheitstraining des Trainings über positive Verstärkung
Es ist also nicht nur gut, sondern elementar, dass das Gegenüber – in meinem Fall Pferde – ruhig abwartet bis es sein Futterlob erhält, ohne dies vehement einzufordern. Aus diesem Grund versuche ich das Wort „Höflichkeit“ aus meinem Trainings-Jargon zu streichen und nutze stattdessen lieber den Begriff „ABC-Sicherheitstraining“ zur Bezeichnung der Grundlage für das Training über positive Verstärkung. Um erfolgreich über positive Verstärkung zu arbeiten, müssen Ponys lernen, dass das Futter durch ein Markersignal (z.B. einen Click/oder ein Wort wie „fein“) angekündigt wird und dass aufdringliches Verhalten dazu führen kann, dass die Übung abgebrochen wird.
Warum ich den Begriff ABC-Sicherheitstraining bevorzuge, liegt auf der Hand – schließlich dreht sich alles im Training mit positiver Verstärkung um die Buchstaben ABC:
A steht für für „Antecedent“ (engl.) und damit für das, was vor dem Verhalten kommt (Stimulus, Ort, Signal etc.)
B steht für „Behavior“ das englische Wort für Verhalten (Verhalten des Tieres)
C steht für Konsequenz, englisch „Consequence“ (Verstärker, z.B. Futterlob)
Einführung in die Welt des Clicker-Trainings
Der Start in die Welt der positiven Verstärkung am Pferd sollte also mit einem konsequenten und für das Pferd kleinschrittigen ABC-Sicherheitstraining beginnen.
Beim ABC-Sicherheitstraining bietet es sich an, das Pferd auf ein Markersignal zum Beispiel das Geräuschs eines Clickers zu konditionieren. Das Pferd verbindet dann das Markersignal „click“ mit einem Futterreiz. Ziel des ABC-Sicherheitstraining ist es, dass das Pferd beim Anblick von Futter oder der Futtertasche ruhig neben dem Menschen steht. Geclickt wird deshalb, wenn das Pferd seinen Kopf vor sich, auf Bughöhe, hält. Hierbei ist es wichtig, immer nach dem Click zu füttern, allerdings gibt es eine Ausnahme: Wenn Du ein falsches Verhalten geclickt (z.B. Kopf an Futtertasche) hast. In dem Fall wird kein Futter angereicht, so dass dem Pferd von Anfang an die richtigen Informationen gegeben werden. Das Pferd soll bei der Übung lernen, in Verbindung mit Futter ruhig zu bleiben.
Es ist sinnvoll, die Übung so kleinschrittig wie möglich aufzubauen, um so wenig Frust wie möglich beim Pferd zu erzeugen. Frust kommt beim Pferd beispielsweise auf, wenn die Futterrate (Belohnungen) sinkt.
Empfehlenswert ist es, erst an das Pferd zu gehen, wenn Dir das Handling locker von der Hand geht. So gibst Du Deinem Pferd von Anfang an die richtigen Informationen. Ist der Ablauf bei Dir schon abgespeichert, kannst Du Dich komplett auf die Reaktionen Deines Pferdes konzentrieren und ihm damit die beste Hilfestellung geben.
Ich nehme Euch gerne virtuell an die Hand und helfe Euch in einem Onlinecoaching oder bei Euch vor Ort bei der Umsetzung.
Hier ein paar Beispiele aus meinem Trainingsalltag
Hufbearbeitung mit einem frei stehendem Pferd und einer Futtertasche umgebunden.

Futterhöflichkeit während des Wippen-Trainings. Frida bleibt konzentriert bei der Wippenübung, obwohl ich den Eimer öffne, mich damit vor sie setze und sie daraus füttere.
In dem Video seht Ihr Vitni bei der Vorübung für das Wippen-Training. Es ist wichtig, dass er ruhig stehenbleibt, wenn ich neben, hinter ihm oder seitlich von ihm stehe. Der nächste Schritt ist genau diese Übung auf einem instabilen Untergrund zu üben, zum Beispiel einer Matte. Ein anderer Schritt wäre es zum Beispiel die Dauer an den einzelnen Positionen zu verlängern.
Hier beim Training mit Frida auf der Zweibeinwippe. Ein auf die Futtertasche fixiertes Pferd kann sich nur schwer auf die von ihm verlangten Aufgabe konzentrieren.

Dieses Video ist schon fünf Jahre alt, hier habe ich das ABC-Sicherheitstraining mit Frida erschwert und Ablenkung mit eingebaut. Damals habe ich die Kopfhaltung von Frida außer Acht gelassen. heute würde ich es wichtig finden, dass sie die ganze Zeit den Kopf nach vorne hält. Durch meinen „Click“ nach einem mir zugewandten Kopf, habe ich natürlich das „zu mir her schauen“ verstärkt.
you get what you click 😉
Das Thema ABC-Sicherheitstraining kann man auch auf die Futterschüssel ausweiten.